Emotionalisierung statt Argumente: Wie die Facebook-Debatte um die Infrastrukturabgabe von der Realität ablenkt
Ein Beitrag aus der Rubrik: Aktuelle Social Media Debatten
Die Einführung der Infrastrukturfolgekostenabgabe in Wedel hat in den vergangenen Tagen erneut zu Diskussionen in der Facebookgruppe „Wedel“ geführt – ausgelöst durch einen Zeitungsartikel des Hamburger Abendblatts mit dem Titel:
„Gebührenzoff: Investor klagt über 8750 Euro pro neuer Wohnung“ (20. April 2025).
In dem Artikel kritisiert der Bauunternehmer Stephan Rehder, dass die Abgabe wirtschaftlich problematische Auswirkungen auf aktuelle Wohnungsbauprojekte habe – insbesondere bei gefördertem Wohnungsbau. Rehder nennt konkrete Zahlen und spricht offen über Risiken. Die politische Debatte dazu ist differenziert – zumindest auf der sachlichen Ebene im Rat. Doch in den sozialen Medien werden aus Argumenten schnell Schlagworte.
Zwei Kommentare stachen in der Diskussion besonders heraus – beide exemplarisch für den Ton, der mittlerweile viele politische Debatten in Wedel prägt: moralisch aufgeladen, rhetorisch spitz, inhaltlich ungenau.
1. Karin Brand: „Kaser hat’s versprochen – und durchgesetzt“
„Gernot Kaser hat doch dieses Thema auch in seinem Wahlkampf aufgegriffen & dann später mit der Mehrheit des Rates (außer der CDU! 😉) endlich eine Änderung auf den Weg gebracht, so dass Wedel nicht immer leer ausging!“
Die Aussage suggeriert, Herr Kaser habe das Thema aktiv politisch vorangetrieben – als Teil seines Wahlkampfs, als Gestalter in seiner Amtszeit. Doch ein Blick auf die Beschlusslage zeigt: Das ist nicht korrekt.
Die politische Initiative für das Wedeler Folgekostenkonzept stammt aus einem Antrag der Fraktion Die Linke vom Oktober 2020 – also lange vor der Amtszeit von Herrn Kaser. Das Konzept wurde 2023 beschlossen – nach fachlicher Ausarbeitung durch das Büro Gertz Gutsche Rümenapp und mehreren Beratungsrunden im Planungsausschuss. Es handelt sich um ein technisches Modell zur Ermittlung von Infrastrukturbedarfen, das laut § 11 BauGB in städtebauliche Verträge eingebunden werden kann.
Die politische Unterstützung kam aus mehreren Fraktionen – aber nicht aus einer Initiative von Herrn Kaser. Ihm hier ein zentrales Verdienst zuzuschreiben, ist faktisch falsch.
👉 Zur offiziellen Beschlussvorlage (VO/20/0660)
Hinzu kommt: Im Wahlkampf von Herrn Kaser war die Infrastrukturfolgekostenabgabe kein zentrales Thema. Auf seiner damaligen Website findet sich lediglich ein allgemeiner Hinweis, dass bei Bauprojekten wie Wedel Nord „die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen nicht von vornherein ausreichend berücksichtigt“ worden seien. Eine konkrete Forderung nach einer Folgekostenabgabe oder gar ein ausgearbeitetes Konzept wurde dort nicht formuliert.
2. Sven Kloevekorn: „Jammern ist der Gruß des Kaufmanns“
„Jammern ist der Gruß des Kaufmanns. Niemand lässt sich wegen der Abgabe vom Wohnungsbau abhalten, wie man an den vielen anstehenden Bauvorhaben sieht.“
Auch hier handelt es sich um eine starke Behauptung – die keiner objektiven Prüfung standhält.
Fakt ist: Seit Inkrafttreten des neuen Folgekostenkonzepts ist in Wedel kein einziges Bauprojekt realisiert worden, das unter die neue Regelung fällt.
Wenn also ein Investor öffentlich erklärt, dass er mit einem konkreten Wohnprojekt in Verzug gerät, weil die Abgabe wirtschaftlich nicht darstellbar sei, dann handelt es sich nicht um „Jammern“, sondern um ein reales Problem. Dieses pauschal zu entwerten, verhindert nicht nur die Diskussion – es diskreditiert auch diejenigen, die überhaupt noch bereit sind, in Wedel zu investieren.
Fazit:
Was beide Kommentare gemeinsam haben: Sie emotionalisieren ein komplexes Thema, ohne die Fakten sauber darzustellen.
- Karin Brand verklärt die Rolle eines ehemaligen Bürgermeisters, um politische Deutungshoheit zurückzugewinnen.
- Sven Kloevekorn diskreditiert fundierte Kritik mit einem sarkastischen Halbsatz.
Beide setzen auf den Effekt – nicht auf die Aufklärung. Und genau das ist gefährlich. Denn die Frage, wie Wohnungsbau und kommunale Infrastruktur sinnvoll zusammengebracht werden können, ist eine der zentralen Herausforderungen für die Zukunft unserer Stadt. Wer sie mit Ironie und Halbwahrheiten zuschüttet, verhindert Lösungen.
In den kommenden Tagen werde ich auf Wedel-Politik.de noch näher auf die inhaltlichen Argumente zur Abgabe eingehen.