Von der Diskussion zur Dauerunterstellung – wenn ein Narrativ jede Sachlichkeit überlagert

Es war ein Post mit klarer Absicht: Eine Nutzerin kritisierte in der Facebookgruppe „Wedel-Germany“ die aktuelle Konstruktion von Wedel Marketing – eine sachlich vertretbare Position, auch wenn man sie nicht teilen muss. Doch wer die Kommentarspalte aufklappt, sucht den ursprünglichen Anlass der Diskussion vergeblich. Was bleibt, ist ein Strang, der exemplarisch zeigt, wie einzelne Debatten in den sozialen Medien zunehmend von einem festen Narrativ überlagert werden und wie jede sachliche Ebene dabei verloren geht.

Zunächst entspann sich ein fachlicher Austausch zwischen zwei Nutzern. Einer von ihnen stellte nachvollziehbare Kritik an der Struktur von Wedel Marketing zur Diskussion: Stadtmarketing als öffentliche Aufgabe, mögliche Interessenkonflikte durch Vereinsstruktur, unnötige Steuerlast für den städtischen Haushalt. Der andere Nutzer hielt mit Engagement und vielen Informationen dagegen, betonte die Zusammensetzung des Vereins, die Finanzierung und die Einbindung der lokalen Akteure. Die Diskussion blieb zunächst respektvoll und argumentativ.

Doch was danach folgte, ist ein Lehrbeispiel dafür, wie Debatten auf Facebook kippen. Weitere Nutzer mischten sich ein, allerdings nicht mit Sachargumenten, sondern mit pauschalen Verdächtigungen, Unterstellungen, Spott und sarkastischen Fragen. Ratsmitglieder, die sich bei Wedel Marketing engagieren, wurden implizit der Vorteilsnahme bezichtigt („Gibt es dafür Aufwandsentschädigung?“), ehrenamtliche Arbeit wurde relativiert, die Bürgermeisterin in ein diffuses Näheverhältnis zum Verein gerückt („best Buddies, gern zusammen auf Tour“).

Drei exemplarische Aussagen aus der Diskussion:
  • „Weil ihnen die Stadt schnurzpiepegal ist und sie ihre eigenen Interessen vertreten.“
  • „Vielleicht brauchen die ja neue Kaffeebecher.“
  • „Verlasst diese Stadt, solange ihr noch könnt.“

Die Debatte folgt dabei einem bekannten Muster: Einzelne Kommentatoren bemühen sich, ein festes Narrativ aufrechtzuerhalten. Es lautet grob gesagt: In Wedel herrsche ein intransparentes Netz aus Verwaltung, Politik, Vereinen und persönlicher Vorteilsnahme. Jede Maßnahme, jedes Engagement, jeder Förderbetrag wird reflexhaft in dieses Bild eingepasst, unabhängig von Fakten, öffentlichen Berichten oder klaren Rechenschaftspflichten.

Inhaltlich verflüchtigt sich die Diskussion. Statt zu fragen, wie ein effizientes Stadtmarketing heute aussehen kann oder wie Leistungen gemessen werden sollten, wird über Kaffeebecher, persönliche Näheverhältnisse und angeblich fehlende Zielvereinbarungen spekuliert. Selbst der Hinweis, dass Wedel Marketing rund 70 Prozent seiner Mittel aus nicht-öffentlichen Quellen erhält, wird entweder ignoriert oder mit Generalverdacht beantwortet.

Besonders bitter wirkt das vor dem Hintergrund, dass die Mitglieder von Wedel Marketing Jahr für Jahr mehr als 2.000 Stunden ehrenamtliche Arbeit leisten. Eine Zahl, die für sich spricht und die verdeutlicht, wie grundlos und verletzend die wiederholten Unterstellungen in der Diskussion tatsächlich sind.

Was besonders bedenklich ist: Die eigentliche Ursache der Debatte, die Frage nach der strategischen Ausrichtung und Finanzierung von Wedel Marketing, gerät vollständig aus dem Blick. Es geht nicht mehr um Stadtentwicklung, sondern um die Festigung eines Misstrauensnarrativs. Kritik ist plötzlich nicht mehr der Ausgangspunkt eines Dialogs, sondern ein Mittel zur Abgrenzung. Wer widerspricht, wird zum Teil des Problems erklärt.

Angesichts dieser Entwicklung stellt sich auch eine andere Frage: Wann greifen eigentlich die Admins ein? Die Gruppenregeln,  insbesondere Regel 5 („Respektvoller Umgang“), sehen ausdrücklich vor, dass respektlose, abwertende Beiträge Konsequenzen haben sollen. Doch viele der Kommentare in diesem Strang verletzen genau diesen Grundsatz: durch persönliche Unterstellungen, Verächtlichmachung ehrenamtlicher Arbeit und das bewusste Herabsetzen politisch oder institutionell engagierter Menschen.

Facebook-Gruppen können ein Ort lebendiger Debatten sein. Sie können Missstände sichtbar machen, Impulse setzen, Brücken bauen. Aber sie müssen sich auch fragen lassen, ob sie diese Räume schützen, vor genau jener Dynamik, die Diskussionen zu Dauerbeschuldigungen und Teilhabe zu Misstrauensritualen werden lässt. Eine öffentliche Debatte lebt vom Widerspruch, aber sie stirbt am gezielten Zersetzungsversuch.

Was mich persönlich entsetzt, ist nicht die Kritik an Wedel Marketing, sondern die Leichtfertigkeit, mit der in Teilen dieser Diskussion Unterstellungen ausgesprochen, Ehrenamt entwertet und Menschen diffamiert wurden. Noch entsetzlicher ist jedoch, dass für keine dieser Unterstellungen Belege vorgelegt wurden. Wer so argumentiert, sucht keine Verbesserung, sondern nur die Bestätigung der eigenen Verdächtigungen. Das hat mit demokratischem Diskurs nichts mehr zu tun.

Zur vollständigen Diskussion auf Facebook 

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