Zwischen Wut, Verdacht und Verdrehung: Was die Debatte zur Infrastrukturabgabe über die politische Kultur in Wedel verrät

Die Debatte über die Infrastrukturfolgekostenabgabe, die derzeit in der Facebookgruppe „Wedel-Germany“ geführt wird, ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert – aber vor allem: erschreckend.

Nicht wegen der Kritik an der Sache. Die kann man haben. Man kann – und sollte – darüber streiten, ob 8.750 Euro pro Wohneinheit in Zeiten hoher Baukosten sinnvoll oder hinderlich sind. Man kann fragen, ob die Regelung für Sozialwohnungen angepasst werden sollte. Und man darf auch darüber diskutieren, ob das Konzept von Guttsche & Partner ideal ist oder nicht.

Aber was aktuell stattfindet, ist keine politische Debatte. Es ist eine Empörungswelle mit klaren Feindbildern und pauschalen Unterstellungen: Die CDU sei „verfilzt“, stecke mit Rehder unter einer Decke. Die Verwaltung handle nicht zum Wohle der Stadt, sondern schütze „Lieblingsinvestoren“. Wer widerspricht, betreibe „Hetze“. Wer sich wehrt, wird zur Zielscheibe erklärt.

Verdacht ersetzt Argument

Es werden gezielt Gerüchte gestreut („Wie viele Politiker wohnen eigentlich in Rehder-Wohnungen?“), ohne jeden Beleg, aber mit klarer Stoßrichtung. Die Botschaft ist: Die CDU, der Bürgermeister, die Verwaltung – alle hätten etwas zu verbergen. Diese Form der politischen Kommunikation folgt einem klaren Muster: Es geht nicht um Aufklärung, sondern um Diskreditierung.

Ein besonders aufschlussreicher Punkt: Gernot Kaser wird in mehreren Kommentaren namentlich erwähnt – teils mit pathetischem Lob, teils mit spitzen Bemerkungen in Richtung seiner Kritiker. Der Punkt dabei: Er hatte mit dem Thema der Infrastrukturfolgekostenabgabe inhaltlich nie etwas zu tun. Die Erarbeitung des Konzepts begann vor seiner Amtszeit, der politische Beschluss erfolgte während seiner Amtszeit – aber nicht auf seine Initiative hin, sondern auf Grundlage einer breiten Mehrheit im Rat. Dass Kaser dennoch wiederholt ins Spiel gebracht wird, zeigt: Es geht einigen nicht in erster Linie um die Abgabe selbst, sondern um das Weitertragen politischer Lagerkonflikte.

Symbolpolitik auf Facebook

Ein weiteres Muster: Die Diskussion dient vielen nicht der Meinungsbildung, sondern der Selbstvergewisserung im digitalen Lagerfeuer. Wer sich dort äußert, bedient nicht selten das eigene Empörungspublikum. Kritik wird nicht widerlegt, sondern als Angriff gewertet. Und wer öffentlich widerspricht, wird – wie in meinem Fall – zur „Zielscheibe“ erklärt. Das sagt mehr über die Diskutierenden als über mich.

Diese Entwicklung ist gefährlich. Wenn politische Diskussionen nur noch in Form von Zuschreibungen und Unterstellungen geführt werden, wenn niemand mehr nachfragt, sondern jeder nur bestätigt sehen will, was er ohnehin glaubt – dann wird eine Stadt wie Wedel nicht weiterkommen. Dann wird auch keine Abgabe, keine Schulreform, kein Haushaltsbeschluss jemals sachlich bewertet werden können. Dann zählt nur noch, wer etwas sagt – nicht, was gesagt wird.

Eine offene Debatte braucht Mut – und Fakten

Wer sich für oder gegen eine Infrastrukturabgabe ausspricht, soll das tun – aber bitte faktenbasiert. Mit Argumenten. Und mit Respekt vor anderen Sichtweisen.

Facebook ist kein Parlament. Aber es ist ein öffentlicher Raum. Und wer diesen Raum nutzt, um pauschal zu verurteilen, statt differenziert zu argumentieren, trägt zur Spaltung bei. Nicht zur Lösung.

Es wird Zeit, dass Wedel wieder beginnt, inhaltlich zu diskutieren. Und aufzuhören, politische Gegner reflexhaft als Feinde zu betrachten.

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