Sozialer Wohnungsbau unter Druck – Was Schleswig-Holstein jetzt ändern will

Update (19.06.2025): Diskussion im Planungsausschuss zur Präsentation von Dr. Krüger

Im Anschluss an die Präsentation von Dr. Maik Krüger zur sozialen Wohnraumförderung entwickelte sich im Planungsausschuss eine intensive Debatte über die Auswirkungen des Wedeler Infrastrukturfolgekostenkonzepts auf die Förderfähigkeit von Bauprojekten. Dr. Krüger betonte, dass das Land Schleswig-Holstein die Transparenz des Konzepts anerkenne, jedoch Sorgen habe, dass durch die zusätzlichen Kosten – etwa 200 Euro pro Quadratmeter – geförderte Projekte in Wedel an Wirtschaftlichkeit verlieren und somit keine Förderzusage erhalten könnten. Er schlug vor, über eine mögliche Aussetzung der Abgabe zumindest für den geförderten Wohnraum ins Gespräch zu kommen.

Mehrere Fraktionen wiesen diesen Vorschlag zurück oder äußerten Skepsis. Die Grünen und die WSI betonten, dass die Abgabe keinen neuen Kostenblock darstelle, sondern bereits zuvor über städtebauliche Verträge erhoben wurde. Sie verwiesen auf die angespannte Haushaltslage der Stadt und argumentierten, dass Infrastrukturkosten – insbesondere für Kitas und Schulen – weiterhin refinanziert werden müssten. Ein Verzicht auf die Abgabe würde letztlich die Kommune treffen und könnte nur über andere Einnahmequellen, etwa eine Erhöhung der Grundsteuer, kompensiert werden.

Die CDU zeigte sich offener für eine Aussetzung der Abgabe bei sozialem Wohnungsbau, um die Umsetzung wichtiger Projekte nicht zu gefährden. Auch die FDP betonte, dass Fördermaßnahmen des Landes mit ausreichender Gegenfinanzierung einhergehen müssten, da Kommunen viele Aufgaben von Bund und Land ohne ausreichende Mittel übernähmen.

Dr. Krüger hob mehrfach hervor, dass es dem Ministerium nicht darum gehe, Investoren zu entlasten, sondern die Realisierbarkeit von Projekten insgesamt zu sichern – angesichts von Baukosten, die vielerorts bei 5.000 Euro pro Quadratmeter liegen, während die Fördergrenze bei 3.500 Euro angesetzt sei. Besonders in Wedel mit hohen Grundstückspreisen und weiteren Belastungen – etwa durch die Infrastrukturabgabe – werde es zunehmend schwierig, Förderfähigkeit darzustellen. Zwar könne im Einzelfall abgewichen werden, jedoch auf Kosten anderer Projekte im Land.

Der Seniorenbeirat gab zu bedenken, dass allein sozialer Wohnungsbau nicht alle wohnungspolitischen Herausforderungen lösen könne. Einzelne Fraktionen verwiesen auf alternative Kostensenkungsmaßnahmen wie den Verzicht auf Tiefgaragen, autofreie Quartiere oder den Einsatz von Recycling-Beton. Dr. Krüger zeigte sich offen für diese Ideen und verwies auf die Bedeutung des neuen Gebäudetyps „Regelstandard E“ als Instrument zur Kostensenkung.

Insgesamt wurde deutlich: Die soziale Wohnraumförderung ist politisch gewollt, aber finanziell unter Druck. Die Stadt Wedel muss abwägen, ob sie an der Infrastrukturabgabe auch für geförderten Wohnraum festhält – und damit möglicherweise Projekte gefährdet – oder Spielräume für eine Umsetzung unter neuen Rahmenbedingungen zulässt.


Im Planungsausschuss der Stadt Wedel informierte Dr. Maik Krüger am 20. Mai 2025 über die aktuelle Entwicklung der sozialen Wohnraumförderung in Schleswig-Holstein. Der Vortrag machte deutlich: Die Herausforderungen im Wohnungsbau sind gravierend – doch das Land will mit klaren strukturellen Änderungen gegensteuern.

Bis 2035 müssen in Schleswig-Holstein über 100.000 neue Wohneinheiten entstehen. Der Bedarf wächst in allen Regionen, besonders aber im ländlichen Raum. Es fehlt an barrierefreien Wohnungen, an bezahlbarem Wohnraum für junge Familien – und an passenden Angeboten für ältere Menschen, die ihr Einfamilienhaus verlassen möchten, aber in ihrer gewohnten Umgebung bleiben wollen.

Gleichzeitig sind die Rahmenbedingungen auf dem Bau- und Immobilienmarkt so schlecht wie lange nicht mehr: Steigende Baukosten und hohe Zinsen haben die Zahl der Baugenehmigungen einbrechen lassen. Der freifinanzierte Geschosswohnungsbau ist faktisch zum Stillstand gekommen. Die soziale Wohnraumförderung ist damit zu einem der wenigen verbliebenen Werkzeuge geworden, um überhaupt noch bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

Das Land Schleswig-Holstein hat in den Jahren 2023 und 2024 Fördermittel in Höhe von jeweils rund 400 Millionen Euro bereitgestellt – genug, um ca. 4.000 Wohneinheiten zu ermöglichen. Doch schon für 2025 zeigt sich: Die gleiche Summe reicht angesichts der gestiegenen Baukosten nur noch für etwa 1.900 Wohneinheiten. Auch für das Jahr 2026 sind erneut 400 Millionen Euro eingeplant. Die Zahl der geplanten und gemeldeten Projekte ist groß – die Mittel müssen daher strategisch vergeben werden.

Entscheidend ist die enge Abstimmung mit den Kommunen. Förderanträge setzen voraus, dass das Projekt auf einer sogenannten Vorhabenliste der Kommune steht und eine offizielle Stellungnahme vorliegt. Erst dann können Gespräche mit der Investitionsbank Schleswig-Holstein (IB.SH) und der ARGE geführt werden. Förderfähig sind Bauvorhaben mit 6 bis 80 Wohneinheiten, bei denen maximal 70 % der Wohnungen öffentlich gefördert werden. Technisch soll sich der Bau am Regelstandard orientieren – also keine überhöhten Komfortansprüche, sondern pragmatische Mindestanforderungen.

Ein zentraler Ansatz ist dabei das Modell des „Regelstandards E“ – E steht für „Erleichtertes Bauen“. Ziel ist es, die Baukosten durch einen klaren Verzicht auf überzogene technische Anforderungen spürbar zu senken. Nur so, das wurde im Ausschuss deutlich, können Projekte überhaupt noch realisiert werden. Oder wie es Prof. Walberg von der ARGE auf den Punkt brachte: „Entweder wir bauen anders – oder gar nicht mehr.“

Kommentar

Als Kommune müssen wir uns ehrlich machen: Wenn wir am bisherigen Anspruchsniveau festhalten, wird in absehbarer Zeit gar nicht mehr gebaut. Die neuen Förderbedingungen zwingen uns, zwischen Perfektion und Realisierbarkeit zu wählen. Das ist unbequem – aber auch notwendig. Der Regelstandard E ist kein Rückschritt, sondern ein pragmatischer Rettungsanker. Entscheidend wird sein, dass Qualität nicht mit Übermaß verwechselt wird – und dass die soziale Durchmischung auch unter einfacheren Standards gelingt.

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