Wer von Hamburg nach Wedel hineinfährt, begegnet zwei besonderen Orten – besonders im negativen Sinn. Direkt an der Rissener Straße liegen das ehemalige Possehl-Gelände und die leere Fläche der 2017 abgebrannten Diskothek "Mr. Pomeroy". Beide Flächen stehen seit Jahren leer. Beide prägen das Bild unserer Stadt an einer der sichtbarsten Stellen. Beide werfen Fragen auf: Was war hier früher? Und vor allem: Was kommt hier noch?
Der Schandfleck Possehl-Gelände: Vom Industrieareal zum politischen Dauerbrenner
Ich war selbst vor Ort. Die heruntergekommenen Fassaden, der Wildwuchs zwischen Beton und Rost, die eingeschlagenen Scheiben – das alles vermittelt ein Bild des Verfalls. Es ist kein übertriebenes Wort: Dieser Ort ist gruselig. Jahrzehntelang produzierte Possehl hier Elektronikbauteile, dann zog sich das Unternehmen zurück. Das ist auch schon über 20 Jahre her. Geblieben ist ein riesiges, ungenutztes Areal. Die Eigentümerfirma May & Co. versuchte sich an einem ambitionierten Plan: ein Mega-Edeka mit Kino und Self-Storage. Doch in der Wedeler Politik stieß das auf breite Ablehnung.
Die Gründe waren vielfältig:
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Die Ausmaße des Vorhabens wurden als überdimensioniert für Wedel empfunden.
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Die Verkehrsbelastung an der B431 würde zunehmen.
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Die Innenstadtgeschäfte könnten durch den Einzelhandelsstandort am Stadtrand geschwächt werden.
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Ein kleines Wäldchen auf dem Gelände wäre dem Parkplatzbau geopfert worden.
Der Stillstand schien programmiert. Doch nun gibt es Bewegung: Die Deutsche Post will auf dem Possehl-Gelände ein DHL-Logistikzentrum errichten. Das Vorhaben passt ins bestehende Planungsrecht – und stößt auf überraschend breite Zustimmung in der Wedeler Ratsversammlung.
Die SPD spricht von einem echten Gewinn für die Stadt: mehr Arbeitsplätze, mehr Gewerbesteuer, schnelle Umsetzung.
Die WSI zeigt sich sehr positiv und offen für konkrete Gespräche.
Die Linke bevorzugt DHL klar gegenüber dem alten Supermarkt-Kino-Plan.
Die Grünen bleiben vorsichtig und betonen: Ob DHL oder etwas anderes, das Wäldchen muss bleiben.
FDP und CDU sehen Informationsdefizite und fordern unabhängige Gutachten, bevor eine Entscheidung getroffen wird.
Es bleibt also spannend. Klar ist nur: Ein weiteres Jahrzehnt Stillstand wäre ein Armutszeugnis. Das Possehl-Gelände bietet eine reale Chance – für wirtschaftliche Nutzung, aber auch für kluge Stadtentwicklung.
Die Brandruine von einst: Die leere Stelle, wo mal das "Mr. Pomeroy" war
Gegenüber liegt der zweite Lost Place. Wer sich noch an das "Mr. Pomeroy" erinnert, weiß: Diese Diskothek war legendär. Eröffnet 1986, entwickelte sie sich zur großen Ausgehadresse für junge Menschen in Wedel und Hamburg. Später wechselten die Namen ("Maxx", "Viva Event Club"), das Publikum wurde kleiner, die Probleme größer. Lärm, Vandalismus, Polizeieinsätze bis hin zu städtisch bezahlter privater Security auf der Rissener Str. – das Gebäude sorgte für Diskussionen.
Dann, in der Nacht zum 25. Mai 2017: ein Großbrand. Das Feuer zerstörte den gesamten Komplex. Drei Männer standen wegen Brandstiftung vor Gericht – und wurden freigesprochen. Die Ursache blieb ungeklärt. Die Ruine wurde 2018 abgerissen. Seitdem: Nichts. Die Fläche liegt brach. Kein Konzept, kein Investor, keine Perspektive. Aktuell könnte man meinen ist es eine Lagerfläche für Schutt.
Ich habe versucht, Kontakt zum Eigentümer aufzunehmen. Mehrfach. Eine Antwort habe ich nie bekommen.
Was diese Orte über uns sagen
Beide Flächen zeigen exemplarisch, wie schwierig Stadtentwicklung sein kann, wenn Investoreninteressen, Naturschutz, Verkehrsfragen und politische Willensbildung aufeinandertreffen. Sie sind aber auch ein Spiegel unserer kommunalpolitischen Entscheidungsprozesse. Die verlorene Discofläche ist heute kaum noch Thema – zu klein, zu sperrig, zu unattraktiv für Investoren. Das Possehl-Gelände hingegen steht im Fokus.
Es ist gut, dass sich nun überhaupt etwas bewegt. Aber wir sollten dabei nie vergessen: Nicht jede Bebauung ist automatisch ein Gewinn. Und kein Konzept ist besser als ein schlechtes. Es braucht Augenmaß, Transparenz, und die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger.
Zwei verlorene Orte am Ortseingang Wedels – vielleicht bald zwei Chancen für einen Neuanfang. Aber nur, wenn wir es richtig machen.