UPDATE: 12.03.2025
Offener Brief zur Kritik an meinem Meinungsbeitrag
Ein Kommentar zu diesem Beitrag:
👉 facebook.com/groups/2403582987/permalink/10162303095572988
Diesen Facebook-Beitrag habe ich gelesen – und als jemand, der hier gelebt, gearbeitet und mitgestaltet hat, macht mich das richtig wütend.
Ich habe fast 20 Jahre lang in der Bahnhofstraße gelebt, gewohnt und gearbeitet. Mehr als zehn Jahre war ich aktiv in der Kaufmannschaft, habe Entwicklungen begleitet, diskutiert, mitgestaltet. Ja, ich kenne die Probleme unserer Innenstadt. Ja, vieles läuft schief. Aber was in diesem Beitrag gezeichnet wird, ist kein realistisches Bild – es ist ein verzerrter Blick, der Emotion über Einordnung stellt.
Die Innenstadt hat Probleme – keine Frage
Der Rathausplatz ist unbelebt, die Bahnhofstraße kein Ort zum Verweilen, und gastronomisch wird es abends schnell still. Treffpunkte fehlen, Konzepte auch. Diese Entwicklung verläuft nicht erst seit gestern – und sie ist ein echtes Problem für alle, die Wedel als lebendigen Ort verstehen wollen.
Aber: Das ist keine neue Erkenntnis. Und sie rechtfertigt keine Schwarzmalerei, die jedes Einzelereignis in einen dramatischen Gesamtabsturz der Stadt einbettet.
Drei Verbrechen = Beweis für eine unsichere Innenstadt?
Der Facebook-Post nennt drei erschütternde Straftaten:
- Ein brutaler Angriff eines Barbetreibers auf seine schwangere Lebensgefährtin – im Inneren einer seit Jahren bekannten Problemkneipe.
- Eine körperliche Auseinandersetzung zwischen Kioskbesitzer und mutmaßlichem Ladendieb – mit eindeutig persönlichem Bezug.
- Eine Messerattacke auf einen Lehrer vor der VHS – mutmaßlich aus familiären Motiven, fernab zufälliger Straßenkriminalität.
Was alle drei Fälle gemeinsam haben: Sie sind erschütternd, aber nicht repräsentativ für das Leben in der Wedeler Innenstadt. Es handelt sich um Einzelfälle – mit persönlichen Hintergründen und Tatorten, die nichts über die allgemeine Sicherheitslage im öffentlichen Raum aussagen.
Gefühle sind real – aber keine Statistik
Natürlich: Wer sich abends unwohl fühlt, darf das sagen. Und natürlich ist gefühlte Sicherheit wichtig. Aber sie darf nicht durch Dramatisierung aufgebläht werden. Wenn drei extreme Vorfälle zu einem angeblich typischen Stadtbild erklärt werden, entsteht ein verzerrter Eindruck. Angst wird verstärkt. Vertrauen leidet. Und reale Probleme werden in einem Meer aus Emotionen ertränkt.
Was uns wirklich fehlt: ehrliche Diskussion statt Empörungswelle
Wir müssen über die Entwicklung der Innenstadt reden. Über Leerstand, über Aufenthaltsqualität, über Perspektiven für Gastronomie, Handel und Kultur. Aber das geht nicht mit pauschalen Rundumschlägen. Es braucht konkrete Vorschläge, Beteiligung, Verantwortung – und den Mut, Dinge differenziert zu betrachten.
Denn Wedel ist nicht leer.
Zwischen all den kritisierten Entwicklungen gibt es sie noch – die Momente, die unsere Stadt lebendig machen:
- Wenn man bei Denis im Eiscafé Venezia ein Eis genießt und mit Freunden ins Gespräch kommt.
- Wenn man bei Aytac gegenüber im „Wintergarten“ sitzt und sich in der Mittagspause einen Döner schmecken lässt.
- Wenn Schulkinder bei Gerd Steyer ihr Taschengeld für kleine Überraschungen ausgeben.
- Wenn man bei Frau Voigt nicht nur die Tageszeitung holt, sondern auch einen netten Plausch führt.
- Wenn Herr Schümann zuverlässig die Brille repariert – schnell, freundlich, persönlich.
- Oder wenn man sich bei Frau Hatecke in der Parfümerie Nickel einen neuen Duft zeigen lässt.
- Wenn man bei einem Stück Kuchen von Hartmut Stünkel in den Welau Arkaden über vergangene Bona-Nächte sinniert.
- Wenn man bei Lehmanns oder Lüchau stöbert, um die neuesten Modetrends zu entdecken.
- Wenn man bei Junge einen Kaffee trinkt – …und schräg gegenüber im Hähnchen-Grill montags für 1,50 € seine Pommes genießt.
Das ist auch Wedel. Und genau diese Alltagsmomente, diese Gesichter, diese Begegnungen gehören in jedes ehrliche Bild unserer Stadt.
Und es gibt noch viele weitere dieser Orte, Menschen und Begegnungen – man muss nur hinschauen.
Fazit: Mehr Realitätssinn, weniger Dramaturgie
Der Facebook-Beitrag spricht ein wichtiges Thema an – aber auf eine Art, die mehr schadet als hilft. Wer aus Einzelfällen eine allgemeine Bedrohungslage macht, erzeugt keine Lösungen, sondern Ängste.
Wedel hat Herausforderungen. Aber Wedel ist nicht verloren.
Zwischen ehrlicher Kritik und gezielter Empörung gibt es einen Raum – und genau dort entsteht Veränderung.